going out of business

Ich stelle meine Tätigkeit als Agentin ein und nehme keine neuen Autor*innen mehr zur Vertretung an. Was aber keineswegs heißt, dass ich nicht mehr im Literaturbetrieb mitmischen würde…

So ein großartiger Text.

(   )  Aber leider zu leise für unser Programmumfeld.

(   )  Ich sehe da nur leider keinen Programmplatz in unserem Programm.

(   )  Aber leider von der Form her zu experimentell/klein für uns.

(   ) Aber aufgrund unserer Programmgröße und -ausrichtung sehe ich ihn leider nicht bei uns.

(  ) Das ist ja leider schwierig, Autor*innen aus dieser Region durchzusetzen.

I´m going out of business. Ich nehme keine Autor*innen mehr zur Vertretung an.

Ich habe seit der Gründung von Partner + Propaganda großartige Menschen kennengelernt, und ich möchte weiter daran mitwirken, Stimmen hörbar zu machen, die eine Geschichte vielleicht ein bisschen anders erzählen als bisher gehört. Aber ich möchte meinen Gestaltungsspielraum nicht mehr abhängig wissen von einer behaupteten Notwendigkeit, einer normativen Kraft des Faktischen, die bei genauer Betrachtung gar nicht herrscht. Verlage, die einerseits beteuern, Autoren zu machen, nicht Bücher, die Autor*innen ihre höchste literarische Wertschätzung beteuern, aber alle Entscheidungen, die diese Wertschätzung torpedieren, mit bedauerndem Verweis auf die Vorgaben der Konzernspitze/die Verkaufszahlen rechtfertigen. Ich möchte mir nicht zum x-ten Mal anhören, dass die Forderung nach einer höheren Ebook-Beteiligung ein Dealbreaker ist und niemand in der Branche mehr als 25% zahlt. Weil das einfach mal nicht stimmt. Ich möchte nicht wieder und wieder beteuert kriegen, dass Autorin X als eine der wichtigsten zeitgenössischen Stimmen für den Verlag unverzichtbar ist, aber man auf Basis ihrer Verkaufszahlen leider doch keinen höheren Vorschuss anbieten könne. Ich möchte derselben Autorin nicht mehr übermitteln, was dem Verlag als Erklärung für die zögerlichen Rezensionen ihres Romans einfiel: „Weibliche Hauptfigur, das lesen Männer nicht so gerne.“ Ich habe keine Lust mehr, meinem in die x-te aus dem Boden gestampfte neue Reihe geschobenen Balkanautor den Marketing-Bullshit von der Chance zu verkaufen, seinem „unglaublich tollen Buch dadurch noch mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen“. Mit einem bunten Aufkleber auf dem Buch, auf dem „unglaublich tolles Buch“ steht. In einer Welt, in der alle Aufkleber mit sich rumtragen, die sie als besonders, toll oder sonstwas ausweisen.

Ich mag mir kein Bedauern über Verhältnisse mehr anhören, die so nicht sein müssten. Möchte nicht mehr hingehalten werden, um schließlich Bullshitargumente vorgesetzt zu bekommen, bei denen ich ziemlich genau weiß, dass diejenigen, von denen sie kommen, sich das selber nicht abkaufen. In vielen Fällen sogar unter vorgehaltener Hand zugeben, an der Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität zu leiden. Ich möchte nachweislichen Schwachsinn nicht mehr freundlich abnicken, respektloses Vorgehen nicht mehr als Conditio sine qua non des Betriebs in Kauf nehmen, Ausflüchte und Vorwände, die systemimmanent, überlastungsimmanent sind, nicht mehr unthematisiert stehen lassen. Ich möchte nicht mehr über Umstände hinweglachen, die zum Heulen sind, und ich möchte diese Umstände nicht durch kooperatives Verhalten mittragen und verstetigen. Denn so möchte ich keine Geschäfte machen.

Damit ist die Konsequenz, auch nicht mehr von diesem System zu profitieren. Damit ist die Konsequenz: Going out of this kind of Business. Was mich kein bisschen daran hindert, anders und mit anderen weiterzumachen. Denn sie sind ja da draußen, die, deren Engagement ich bewundere, die respektvoll miteinander umgehen, die Widersprüche austragen, an der Veränderung mitwirken oder einfach nur ein gutes Programm machen: Edition Nautilus, PS Politisch Schreiben, Kanon Verlag, Voland & Quist, Maro Verlag, Verlagshaus Berlin, Verbrecher Verlag, Insert Female Artist, Dear Reader Podcast, to name just a few. Ich werde also weiterhin die Edo Popovićs und Ivana Sajkos, die mir engagierte Menschen und Kenner*innen der Sprache und der Region unter der Tür durchschieben, weiterschieben. Ich werde weiter für Autor*innen werben, die über Scham, Wut, Unbehagen am System nachdenken, schreiben, singen und filmen.  Ich werde weiter Texte übersetzen, Veranstaltungen moderieren und auf Podien über Alkohol sprechen und über die Unvereinbarkeit von Anspruch und Realität, die gerade bei Frauen dafür sorgt, diese Überforderung eher zu ersäufen als die Umstände, die sie bedingen, zu thematisieren. Ich werde zu vermitteln versuchen, wie sich ein Zugang zum Sprechen und Schreiben über schambehaftete Themen finden lässt. Ich werde nach Wegen suchen, meine Kenntnisse und Fähigkeiten künftig ohne Vertragsbindung, Provision und Exklusivität verfügbar zu machen.  

Aber ich werde keine Rücksicht mehr auf Spielregeln nehmen, die ich nicht gemacht habe, die ich nicht billige, und die in meiner Vorstellung von dem, was es zu gestalten gilt, keine Gültigkeit mehr haben sollen.  Denn ich bin immer noch der Meinung, dass bestimmte Geschichten anders erzählt werden könnten.

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